Aus dem Takt


Wenn Demenz den Rhythmus vorgibt


Seelenbalsam


Um Demenzkranken und deren Angehörigen eine Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen, rief die Württembergische Philharmonie Reutlingen die Konzertreihe Seelenbalsam ins Leben. Ein speziell an die Bedürfnisse demenzkranker Menschen angepasstes Programm ermöglichte Angehörigen und Betroffenen den Besuch eines klassischen Konzertes. Die Initiatoren waren ebenso Neulinge, wie die späteren Besucher es sein sollten. Welche Überraschungen die außergewöhnliche Konzertreihe mit sich bringen würde, war daher allen Beteiligten unklar.

Annemarie Hilde haben wir auf das zweite Seelenbalsam Konzert begleitet. Im Vergleich zum Tanztee entdeckten wir durch den Sucher der Kamera noch intensivere und auch wieder unterschiedliche Reaktionen bei den Zuhörern.






Arthur Schall

Über Arthur Schall
Arthur Schall ist Musikwissenschaftler, Kunsthistoriker und Psychologe. Am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main forscht er, inwieweit sich Musik und Kunst auf die Kommunikationsfähigkeit, das Wohlbefinden und das emotionale Ausdrucksverhalten bei Menschen mit Demenz auswirken können. In seiner Diplomarbeit analysierte er über zwei Jahre musiktherapeutische Effekte. Derzeit führt ihn das Projekt „Artemis“ in ein weiteres kreativtherapeutisches Feld: die bildenden Künste. Demenz-Patienten werden hierfür ins Museum und bei der Arbeit im Atelier begleitet.


„Die Frau im Hintergrund sah aus, als würde sie weinen, und der Herr, als würde er dirigieren. Eine Frau steht auf und geht, ganz typisch, auch dieses agitierte Verhalten, dass man nicht ruhig sitzen bleiben kann. Ein Bläserquintett ist etwas Spezielles, passend für Leute, die früher ins Konzert gegangen sind, die sich für Kammermusik interessiert haben. Ein normaler, stark von Streichern dominierter, Orchesterklang ist den meisten Menschen vertrauter als ein reiner, nackter Bläserklang. Menschen mit Demenz sind in ihren Emotionen letztlich ungefiltert. Wenn ihnen etwas nicht gefällt, dann stehen sie auf und gehen oder äußern das oft auch ohne irgendwelche gesellschaftlichen Schranken.“

Musikalische Erfahrungen, egal ob aktiv tanzend, singend, musizierend oder passiv zuhörend, bewegen Menschen mit Demenz. Sie werden sichtlich emotional berührt. Es bleibt die Frage, ob das nur für den Moment anhält, oder sogar darüber hinaus auf das Befinden der Menschen einwirken kann.


Weitere Aussagen von Arthur Schall zum Thema Ethik und Demenz:

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